Auf der Nehrung

Eine Verortung

Von Kaliningrad nach Klaipeda

Zwei LƤnder - ein Landzopf. Von der Oblast Kaliningrad in das litauische Klaipeda.

Wer von der Hauptstadt des Landes die Ostsee erreichen will, muss die Stadt in nördlicher Richtung verlassen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Wie in alten Zeiten mit der Regionalbahn ab Nordbahnhof. Königsberg war Festungsstadt. Teile des Befestigungssystems - Bastionen, Türme und Tore begrenzen heute noch die Stadt. Eines der sechs erhaltenen Stadttore ist das „Roßgärter Tor“ und der „Dohnaturm“, in dem sich seit 1981 das große Bernsteinmuseum befindet. Ist man an beiden Gebäuden vorbeigefahren, so hat man die Innenstadt von Kaliningrad verlassen.

Die Fahrt geht weiter nach Norden über die Alexander-Nebski Straße, die ehem. Cranzer Allee. So sind sehr schnell die Anschlüsse der Samland-Autobahn in Richtung Zelenogradsk/ ehem. Cranz erreicht. Fast genau auf halber Höhe liegt der Flughafen für Kaliningrad Hrabovo/ Powunden. Ehe der Zug in Zelenogradsk ankommt, läuft die Strecke noch an dem berühmten Botanischen Garten vorbei. Beide Strecken ziehen durch eine Landschaft, die den Namen „Samland“ trägt. Sie war von den Samen als Urbevölkerung bewohnt worden. Die Zugfahrt endet am Bahnhof von Zelenogradsk, mitten im Ort.

Mit dem Auto kann man Zelenogradsk umfahren und in nordöstlicher Richtung gleich auf die Kurische Nehrung kommen. In der Ferne ist dann das moderne Neubauviertel der Gemeinde zu sehen. So ist man auf der alten Poststraße, die vom ehemaligen Königberg in das ehemalige Memel führt.

Schon im letzten Jahrhundert, nach dem Ersten Weltkrieg, hat das Ostsee- und Moorbad Cranz mit Reisen geworben:

 

2 x täglich, auch an Sonn-und Feiertagen, in 4 Stunden mit dem Flugzeug von Berlin

1 x täglich über Danzig, Marienburg in 9 Stunden mit der Eisenbahn

2 x täglich über Frankfurt Oder, Posen, Allenstein

 

Auch heute ist Zelenogradsk außerhalb der Schulferien ein angenehmes, ruhiges und überschaubares Ostsee-Bad mit guten Unterkünften. Zur Erholung tragen regelmäßige Spaziergänge auf der langen hohen Strandpromenade über Wellen und Sand bei. Eindrucksvoll ist der Markt sowie der Bahnhof als Endstation mitten im Ort, der Sicherheit gibt, dass man regelmäßig nach Kaliningrad reisen kann. Einen viereckigen Platz bilden die Gebäude der Post, das Rathaus, Jugendstil Häuser aus alter Zeit und Geschäfte mit Schmuck und Bernstein.

Am Ende der langen Promenade in Zelenogradsk wurzelt der weite Sandstrand der Kurischen Nehrung, der in nordöstlicher Richtung über die politische Grenze hinweg bis Klaipėda läuft.

Es darf nicht vergessen werden, dass das Rathaus für den verstorbenen Heimatdichter Sem Simkin an der Südseite des Parks/ Plantage zum Gedenken eine neue Skulptur errichten ließ. In vorbildlicher Weise hat der Dichter ostpreußische Gedichte gesammelt, in die russische Sprache übertragen und in einem Buch veröffentlicht. (vgl.: Simkin, Sem: „Du mein einzig Licht - Gedichte Königsberger Dichter", Verlag: Kaliningradskoe Kniznoe lzd., Kaliningrad 1996.)

Die Autofahrer haben auf der alten Poststraße zwischen Kaliningrad und Klaipėda die Büro- und Kassenhäuschen des UNESCO-Weltkulturerbes mit den großen Schautafeln für die Kurischen Nehrung erreicht. Hier ist ein Eintritt zu bezahlen. In der Rückschau sind im Weichbild des Ortes die alte Backsteinkirche und der Wasserturm zu sehen.

Nach dem Verlassen der Stadt in nordöstlicher Richtung nach Klaipėda, dort wo die Fernstraße A 191 von Kaliningrad auf die alte Poststraße trifft, beginnt die Kilometerzählung  (auf der rechten Straßen-, Haffseite) bei  KM 0.0. Auf der linken Seite ist der Strand der Ostsee, rechts das Haff-Ufer. Ein Schlagbaum versperrt die Straße. Auf der linken Straßenseite muss in Wächter- und Kassenhäuschen Eintritt (seit 2000) in das Schutzgebiet des UNESCO-Weltkulturerbes gezahlt werden. Große Schautafeln weisen den Weg im südlichen, russischen Teil der Kurischen Nehrung.       

 

Die Sicht in Richtung Haff und nach Cranzbeek ist durch einen alten romantisch schönen Märchenwald, einen „Königswald“, verstellt. Eine kurze Wanderung öffnet die Augen für die Natur zwischen See und Haff. Von Cranzbeek aus fuhren früher, in deutscher Zeit, Dampfschiffe bis nach Memel. Heute gehört der Hafen den Fischern. Hier und an der Bucht von Lesnoje / Sarkau, der schmalsten Stelle der Kurischen Nehrung mit einer Breite von 350 m, besteht die Gefahr der Überflutung und des Durchbruchs. Bei entsprechender Wetterlage kann der Wind über die Hafffläche von etwa 45 Km einen Sturm aufbauen, dessen Kraft und Energie ausreicht, um an diesen Stellen den nördlichen Teil der Nehrung zur Insel zu machen. So geschehen am 18./19. Januar 1983. Gleiche Gefahr gilt natürlich auch dann, wenn die See tobt. Es war zu allen Zeiten kein leichtes Leben auf der Kurischen Nehrung. Die Bewohner kämpften immer mit und gegen die Kräfte der Natur. Sie waren nicht nur Fischer, sondern fingen auch in Netzen Nebelkrähen, die als „Nehrungstauben“ zubereitet wurden. Diese Art von Vogelfang brachte ihnen den Namen „Krajebieter“ ein. Die gefangenen Vögel standen wie Tauben auf den Karten guter Gaststätten in Königsberg.

Im Rahmen der Bauarbeiten wurde die Nehrungsstraße verbreitert und erhöht. So verbindet die Straße die getrennten Teile der Insel. Weit sichtbar ist am Strand von Sarkau / Lesnoj das Leuchtfeuer. Technisch nüchtern, eine große rot-weiß-rot gestrichene, auf ein hohes Stahlgerüst aufgesetzte Bojen-Tonne.                                    

Am Km 15 ist ein großer Parkplatz und eine Bushaltestelle. Von hier aus ist, nach einem kleinen Spaziergang, das Nehrungsmuseum zu erreichen. Das Gebäude war in vergangener Zeit für hervorgehobene Personen ein Gästehaus mit Bootsanleger. Nach der Auflösung der Sowjetunion wurde aus dem Gebäude mit viel Geschick und Hingabe ein museumspädagogischer Schwerpunkt auf der Kurischen Nehrung geschaffen. Sein Besuch ist ein Muss für den geschichtsinteressierten offenen Touristen.

Bei Km 23 muss ein weiterer, für die Naturwissenschaften historischer Punkt besucht werden. Hier entstand 1901 die berühmte Fangstation „Fringilla“ (lat. „der Buchfink“), die zur Vogelwarte Rossitten gehört und den Ort weltweit berühmt gemacht hat. Der bekannte „Vogelprofessor“ Johannes Thienemann (1863-1938) kam als Pfarrer nach Rossitten und begann dort, vor etwa 120 Jahren (1901), Vögel zu beringen, um den Vogelzug  zu studieren.

Die biologische Station Rybatschij arbeitet mit der Akademie der Wissenschaften und der Universität von St. Petersburg zusammen.

 

Bei Km 34 wird mit dem Bus Rybatschij / Rossitten erreicht. Mit über 3 Km ist hier die breiteste Stelle der Kurischen Nehrung. So kann in Maßen Landwirtschaft wie Getreideanbau oder Wiesen- und Weidewirtschaft betrieben werden. Die Erträge reichen nicht aus und so haben Bewohner auf der anderen Haffseite, in der Elchniederung, Landwirtschaft betrieben. So gehören zur Landschaftserinnerung mit Heu voll beladene Kurenkähne, die in Rossitten und Pillkoppen anlandeten. Die Fischersfrauen pflegen ihre Vorgärten mit viel Liebe, besonders die vielen bunten Stockrosen / Malven (Althea Rosea) stechen hervor.

Rybatschij / Rossitten (bedeutet so viel wie Fischer-, Fischerei) ist der größte Ort im südlichen, russischen Teil der Kurischen Nehrung. Der neue Name des alten Fischerdorfes Rossitten benennt das Fischerdorf. Hier gab es ein großes Fischerei-Kombinat. Im Hafen neben der Mole liegen Fischerboote, die auf ihren Einsatz zum Fischfang warten. Das Dorf hat mit vielen Einzelgebäuden seinen ursprünglichen Charakter behalten. Es gibt einen Leuchtturm, ein Forstamt, eine Schule, ein Pfarrhaus und eine Kirche. Die Bürgermeisterei verwaltet Rybatschij, Lesnoje und Morskoje. Der Ort Rybatschij und das Land um das Straßendreieck sind historisch von Bedeutung. Der Ort hatte viele Jahrhunderte lang ab dem Jahr 1372 eine Ordensburg. Rechts von der Nehrungsstraße, zur Grenze in den Nordteil der Kurischen Nehrung und nach Memel, steht eine Tankstelle, die aussieht wie ein Schloss, eine Burg. In dieser Gegend schwebt der Geist des Freiherren Roderich, den sich der aus Königsberg stammende Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776 - 1822) zum Vorbild seiner Geschichte „Das Majorat“ genommen hat.

Nur wenige Km nördlich, an der rechten Seite der Straße, liegt die alte Segelfliegerschule. Unweit von hier wachsen in einem Waldabschnitt die Kiefern krumm als „Tanzende Bäume“. Die Kiefern haben keinen geraden, sondern einen verdrehten Stamm. Die Ursache dafür ist noch nicht genau bekannt. Die Forschung läuft. Zwei weitere Persönlichkeiten, die auf dem alten Friedhof liegen und deren Gräber gepflegt werden sind Franz Wilhelm Epha (8.11.1828 - 16.09 1904) und Johannes Thienemann (12.11.1863 - 12.04. 1938).

 

Bei Km 40 wird wenig später ein Parkplatz erreicht. Von hier kommt man nach einer kurzen Wanderung durch einen niederen Wald auf einem Holzsteg zu einer Aussichtsplattform. Übersichtliche Schautafeln würdigen das Werk des „Dünendirektors“, das zur Festigung der Wanderdünen geführt hat. Auf der Höhe ist der Blick über das Land, die Nehrung, zum Haff und über die Ostsee frei. An dem großen Dünengebiet liegt am Ufer der Haffseite der Schwanensee. Eine natürliche Landmauer staut das über die große Sandfläche geklärte Regenwasser zu einem See. Der Schwanensee ist von Kiefern und Buschwerk umrandet. Hier auf den zauberhaften Sanddünnen der „Ostpreußischen Sahara“ fällt das Laufen im Sand schwer, erinnert an den Gang durch tiefen Schnee. Bei Verschnaufpausen wirkt das Lichtspiel der Natur. Weiß der Sand, hellblau der Himmel. Je nach Sonnenstand scheint das Haffwasser hellblau-grün, in der Ferne die See mit schäumenden Wellen am Strand. Am Horizont steht der Leuchtturm von Nida / Nidden. Am Ende der Seeberge, hinter Sandzungen, die in das Haff lecken, kann man den Ort Morskoije / Pillkoppen erahnen. Die Wanderung den Dünenkamm entlang hat sich gelohnt. In Erinnerung bleibt das natürliche Lichtspiel über der Kurischen Nehrung.

Nach etwa über 40 Km Fahrt auf der Nehrungsstraße von Süd nach Nord biegt im rechten Winkel die Zufahrtsstraße nach Morskoije ab. Auch dieser Ort ist eine Ordensgründung. In uralten Zeiten (1283) wurde auf einer Düne eine Burg gebaut. In ihrem Umkreis siedelten Fischer. Noch weit früher wurden alte Behausungen von Samen nachgewiesen. An dieser Stelle der Seeberge, nördlich der Weißen Düne, liegt der Ort. Wie viele Dörfer so musste auch Morskoije / Pillkoppen mehrmals umgesiedelt werden. Nachdem Franz Epha in der Zeit von 1887 bis 1892 die Düne befestigt hatte, ist Ruhe und Vertrauen eingetreten. Der Ort liegt am Fuß der großen Düne, die sich seit langer Zeit nicht bewegt hat. So ist der Ort aus der natürlichen Stille erwacht und kann Feriengäste in neugebauten Sommerresidenzen aufnehmen. Der Sommerurlauber sollte sich bewusst sein, dass er sich in einem Grenzgebiet befindet. Um Unannehmlichkeiten bei Spaziergängen und kleinen Wanderungen zu vermeiden ist es nützlich und wichtig nach Karte zu gehen. Zurück auf die Nehrungsstraße. Nach nur wenigen Km wird die Grenze zwischen der Russischen Föderation und der Republik Litauen erreicht.

Die hier verlaufende Staatsgrenze, die Außengrenze der Europäischen Union, war 7oo Jahre lang, auch zu Deutscher Zeit, eine Verwaltungsgrenze. Der südliche, russische Teil wurde vom Kreis Fischhausen verwaltet. Der nördliche Teil gehörte zum Kreis Memel („Memelland“).

Bei der Ausreise aus der der Oblast Kaliningrad, aus der Russischen Föderation und der Einreise nach Litauen in die Europäische Union erlebt der Fahrgast im Bus „das bürokratische Ballett“ der Zoll- und Sicherheitsbehörden. So ist es hilfreich und erholsam sich zum Zeitvertreib an einige „Schlaglichter der Deutschen“ und Europäischen Geschichte zu erinnern. (Strakauskaite, Nijole; "Die Kurische Nehrung - Die alte Poststraße Europas", Verlag: Leidykla-Spaustuve, Klaipeda 2006, S.5)

Schon im 1. Jh.n.Chr. führte eine Straße für den Bernsteinhandel vom Ostsee-Strand nach Rom. Im 13. Jh. begann die Kolonisierung durch den Deutschen Orden. Die Prussen waren besiegt und angepasst. Von Königsberg aus gründete der Orden seinen eigenen Staat. Der Livländer Orden war mit dem Bau der Memelburg aktiv. Im Schutz der Burg entstand die Hafenstadt Klaipėda / Memel. Auch Königsberg hielt seinen Hafen offen und pflegte das zulaufende Kanalsystem über die Deime und den Pregel. In beiden Städten gibt es eindrucksvoll herausragende Gebäude wie den Dom in Kaliningrad und die Burgmauern wie die alte Post in Klaipėda.  König Friedrich Wilhelm I (1713 - 1740) bemühte sich um Ansiedlung von Menschen aus verschiedenen Ländern. Das Land war menschenleer geworden. Die Pest hatte viele Bewohner hinweggerafft.

Im 16. Jh. festigte mit der Verweltlichung des Ordenstaates 1525 das multikulturelle Herzogtum Preußen seine Macht. Von der Universität in Königsberg, der Albertina, gingen wesentliche Einflüsse auf die kulturelle Entwicklung auf das Land Kleinlitauen/ Preußisch Litauen aus. Das waren die Sprachwissenschaftler: Martin Ludwig Rhese (1776 - 1840), Friedrich Kurschat (1806 - 1884), Adalbert Bezzenberger (1851 - 1922) und der weltweit bekannte Philosoph Immanuel Kant (1824 - 1804).

Das Land „Kleinlitauen“ bekam im Mündungsgebiet des Memel-Flusses ab Sowjetsk / Tilsit bis zum Haff-Delta die Bezeichnung „Memelland“. Rücksichtslose Waldrodungen, auch Brände in den Kriegen des 16. und 17. Jh.  (Siebenjähriger Krieg 1756- 1763), haben das Land kahlgeschoren, so dass Wind, Sturm und Sand die von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft, die „Ostpreußische Sahara“, besonders deutlich auf der Kurischen Nehrung, entstehen konnte. Dörfer wurden weggeblasen oder mussten verlegt werden. Gemeinsam kämpften friedlich die verschiedenen Volksgruppen gegen die Macht der Sanddünen. Die beharrliche, zielgerichtete Anpflanzung von ausgewählten Pflanzen fand ihre Anerkennung in der Festigung der Dünen. Die gesamte Kurische Nehrung wurde im Jahre 2000 in das UNESCO - Weltkulturerbe aufgenommen. Die Flucht am Ende des Zweiten Weltkriegs, die Aussiedlung nach dem Krieg und die Neuansiedlung war für alle Menschen eine unvorstellbare unmenschliche Belastung.

Der Bus fährt wieder und hat die Schlagbäume hinter sich gelassen. Die Nehrungsstraße läuft jetzt durch die Republik Litauen. Nach wenigen Km ist in der Nähe einer Tankstelle die Zufahrtsstraße nach Nida / Nidden erreicht.

Wer in das Baltikum reist wird heute von den Touristik-Büros für einen kurzen Augenblick auf die Kurische Nehrung nach Nida / Nidden gebracht.

 

 

Die Frauen von Nidden standen am Strand

Über spähenden Augen die braune Hand,

Und die Boote nahten in wilder Hast,

Schwarze Wimpel flogen zügelnd am Mast.

Agnes Miegel

 

 

Auch das Fischerdorf Nida musste mehrmals den Sandstürmen weichen und umziehen. Heute ist Nida ein für die Touristen herausgeputztes Fischerdörfchen, das äußerlich in seiner Tradition lebt und so Gestaltung und Farben auswählt. Wer nur in Nida war hat lediglich einen Teil der etwa 100 Km langen Nehrung gesehen. Im Süden des Ortes liegt eine große Sandfläche mit dem Tal des Todes, dem Tal des Schweigens. Die kurze Wanderung, das Treppensteigen auf die Aussichtsplattform, lohnt sich wegen der Übersicht: nach Süden über die gesamte Sandwüste. Der Leuchtturm von Nida steht auf einem Hügel von Strauchwerk und kleinen Bäumen umgeben in der Nähe von Häusern. Es lohnt nicht ihn in der Nähe zu besuchen. Er wirkt in einer Höhe von 27 m mit Signalen über das Meer und das Haff. So ist es besser ihn von der Ferne als Orientierungspunkt zu sehen. Auch nach Norden in Richtung Juodkrante / Schwarzort schließt sich eine große Sandfläche an. Besonders schön von der Aussichtsplatte der Düne ist die Sicht zum Horizont der Ostsee und über das Haff nach allen Seiten.

 

Am 8. Januar 1807 auf ihrem Weg nach Memel war die beliebte Königin Luise von Preußen Gast in Nida. Sie ist die Namensgeberin für das große Hotel in der Mitte des Ortes (Hotel Júraté) gewesen. Eine andere sehr berühmte Unterkunft in Nida ist der Gasthof von Herman Blode. Durch geschickte Geschäftsführung wurde das Haus zum Mittelpunkt der „Künstlerkolonie Nidden.“ Die Kunstakademie Königsberg lehrte auch das Malen an der Natur. So kamen im Laufe der Zeit hunderte Maler-Persönlichkeiten zur Arbeit nach Nidden und Umgebung (Bardford, Jörn: "Nidden Künstlerkolonie auf der Kurischen Nehrung, Verlag: Fischerhuder Kunstbuch, Fischude 2005.)

Zwei berühmte Maler stammen direkt aus Ostpreußen, dem Städtchen Gwardeisk / Tapiau. Der Ältere ist Lovis Corinth, geboren 1858 in Tapiau, bekannt für seine Malerei „Der Friedhof von Nidden“. Er wirkte auch ab 1918 in Oberbayern in Urfeld am Walchensee. Der Jüngere war Ernst Mollenhauer, geboren 1892 Tapiau. Er war in Nidden mit dem Hotel Blode eng verbunden. Seine Karriere endete in Keitum auf Sylt. Dort gibt es auch eine Wanderdüne.

Nida liegt lang gestreckt am Haff entlang unterhalb einer kleinen Berghügel-Kette. Der Weg läuft in leichter Neigung zum Haffufer. Im Zentrum sind der Hafen, die Fischfabrik, das Rathaus für den Verwaltungsbereich Neringa und die Polizei. Entlang einem Uferweg am Haff führt der Weg zur Verortung von dem Fischerhäuser-Museum über den Hafen an der Bernsteingalerie vorbei zum Kirchhof an der Evangelischen Backsteinkirche mit berühmten „Niddener-Blau“ im Altarraum. Im Ortsteil Skrusdin liegt gegenüber dem Hotel von Hermann Blode ein eindrucksvolles Stadtmuseum.     

Von hier aus ist in einem kleinen Spaziergang oder einem anstrengendem Treppenlauf auf den Schwiegermutterberg das Haus von Thomas Mann zu erreichen. Der von Postkarten bekannte „Italienblick“ ist verändert. In der langen Zwischenzeit seit Thomas Mann haben hohe Kiefern den Blick eingerahmt und starke Zweige ziehen mitten durch das Bild. So verläuft die Verortung in Nida übersichtlich gerade am Haff-Ufer entlang. Das Verlassen von Nida in Richtung Juodkrante, Klaipeda erfolgt wieder im rechten Winkel an der Schule vorbei zur Nehrungstrasse.

Der Individualverkehr verläuft im Rechteck weg von der Nehrungsstraße runter zum Haff, wieder zurück hoch auf die durchgehende Straße der Nehrung entlang. Das Meer, der Ostsee-Strand, liegt auf der anderen Straßenseite. Die Fahrt geht leicht bergauf, an der Schule vorbei durch einen Kiefernwald. Der Bus stoppt kurz, fährt rechts wieder auf die Nehrungsstraße zurück. Es sind keine Elche zu sehen.

Elche sind sehr scheue Tiere, dafür muss auf zahlreiche und frech gewordene Wildschweine geachtet werden. Nach kurzer Fahrt durch den „grünen Tunnel der Kiefern“ öffnet sich der Himmel und der Parkplatz eines weiteren großen Dünen-Gebietes zwischen Nida und Juodkrante ist erreicht. Ein Eldorado für alle Bildermacher, ob mit Pinsel oder mit Optik. Versteckt hinter den Dünen am Haff liegen die kleinen zur Stadtgemeinde Nida gehörenden Fischerdörfer Preila / Preil und Pervelka / Perwelk. Die Menschen leben hier vom Fischfang, der Forstwirtschaft und dem Fremdenverkehr. Hier kann man Ruhe und Stille in der Natur suchen und finden. Auch Pilzsammler werden in den Birkenwäldern fündig. In Pervalka ist der Pferdeleuchtturm auf eine kleine Insel mitten in das Haff gebaut. Nach dem Ausflug in die Sandwüste zurück auf die Nehrungsstraße zwischen Nida und Smiltyne. Rechts von dem Nehrungskamm ist die Dünenwüste. Hier ereignete sich am 5. Juni 1922 der „Schwarzorter Dünenstrurz“ (Dünen-Mure). Ein 50 m hoher Dünenhang stürzte in das Haff. Viele Km weit war der Paukenschlag zu hören. Auf der linken Seite wird der Strand immer breiter und höher. Entsprechend den Gesetzen der Strömungsphysik wird vom Meer immer mehr Sand angeschwemmt und abgelagert.

Vor Juodkrante / Schwarzort stehen in einem Waldstreifen zum Meer hin alte, hohe, festgewachsene Bäume. Dazwischen steht der eine oder andere tote, von Kormoranen bewohnte, Baum. Diese Bäume wirken wie mit Lametta überzogene Christbäume. Nach der Neigung  in einer Rechtskurve hat der Bus den Nehrungskamm verlassen. Hier sind Fischerhäuser, mit zum Trocknen aufgehängten Netzen, am Haff-Ufer zu sehen. 

Eine besondere, eindrucksvolle Fahrt, um Ostpreußen kennen zu lernen, geht von Kaliningrad aus streng nach Osten durch das Königstor nach Polessk / Labiau. Von dort am anderen Haff-Ufer, dem großen Friedrichsgraben / Polesskij-Kanal, am Schleusenwärter-Häuschen vorbei, auf einem Damm entlang, schließlich mit einem Fischerboot über das Kanalsystem nach Matrosovo / Gilge zu Frau Elena Ehrlich  in ihr  Hotel (früher Hotel Adomeit). In der Landschaft kann „Ostpreußen Natur pur“ erlebt werden. Der Übergang vom Haff-Ufer in eine Moor-, Schilf-, Weidelandschaft zeichnet bei unterschiedlichen Wetterlagen wunderbare Bilder für alle Bildermacher. Manchmal sind auch auf der anderen Haff-Seite die Seeberge in der Wüste zusehen.  Auf den Karten tragen die Landschaften die Namen: Zalivino, Haffwinkel, Golovkino, Elchwerder, Razino / Möwenort.

Vom Hafen in Nida aus gibt es die Möglichkeit mit dem Boot auf die andere Haffseite nach „Litauisch Venedig“, Kleinlitauen, auf der Minge entlang in das Land hinein zum Ort Minija / Minge zu kommen. Hier serviert der Kapitän höchstpersönlich eine heiße Fischsuppe. Schon vor über 100 Jahren gab es auf dem Haff einen regen „Dampfboot“ - Verkehr: Von Cranzbeek nach Memel und zurück. Die Häfen, die Anleger waren nicht ausgebaut. So kamen in Nidden Fischerboote an die Dampfboote und übernahmen die Reisenden.  Der Bootsführer Froese machte Mut mit dem Spruch: „Nicht weinen Frauchen, springen“.

Auf der Rückfahrt über das Haff von Minge nach Nida erkennt man den Hafen von Nida und die umgebenden hohen weißen Seeberge der „Ostpreußischen Sahara“. Weiter nordöstlich, also rechter Hand steuerbord, bildet der alte, stolze Wald einen tiefgrünen, schwarzen Streifen. Vielleicht ist dieser schwarze Streifen im weißen Dünenfeld der Namensgeber für Juodkrante / Schwarzort. Das Fischerdorf lag in alter Zeit (15. Jh.) direkt am Meer. Auch hier haben Sandstürme und Pest-Epidemien ihr Werk getan. Trotzdem ist Juodkrante eine der „ältesten, durchgehend bestehenden Siedlungen“ auf der Nordseite der Nehrung (Nijolè Strakauskaitè). Nachdem hier Kuren siedelten, kann man auch die Bemühungen  der Gemeinde Juodkrante anerkennen, hier einen Luft-Kurort, ein Seebad (ab 1923)  mit Spazierwegen im Waldpark auf der Seeseite, mit der Möglichkeit der Anwendungen von Mineral-, Kiefern-, Moos- und Kohlensäurebädern  zu errichten.  Nicht versäumt werden darf der Gang auf den „Hexenberg“, vorbei an all den Skulpturen der Künstler aus Litauen. Neben der Fischerei hatte das 1860 gegründete Bernstein-Unternehmen Stantien & Becker, das in einer Nordbucht im Haff  Bernstein bis zur Erschöpfung  geschürft hat, großen Einfluss auf die Entwicklung  und Bedeutung des Ortes. Die Firma verlegte ihre Förderstelle nach Jantarny / Palmnicken. Teile des „Schwarzorter Bernsteinschatzes“ (1861) aus der Steinzeit oder Kopien davon sind als Lehrstücke an Universitäten verteilt.

 

Hier läuft die Nehrungsstraße als Ortsdurchgangsstraße parallel am Haff entlang. Einem großen Parkplatz gegenüber links steht die Evangelische Backsteinkirche, die wieder „arbeitet“. Von dem Parkplatz aus kann das Fischerdorf erreicht werden. In einem Geschäft findet man Volkskunst, Literatur, Bernsteinschmuck. Es ist möglich Kurenwimpel für den Garten zu bestellen und sich nach Hause schicken zu lassen. Nach dem Spaziergang über den Hexenberg ist die Erholung auf einer Bank der langen Mole willkommen und erholsam. Die Sumpflandschaft um die Kirche und das Haff-Ufer sind mit Abraum der Bernsteinförderung aufgefüllt und fest gemacht worden. Die Mole ist eine Kurpromenade oder eine Promenade der Kuren.  Immer, ob beim Sitzen am Ende der Mole im Bistro oder auf einer der Bänke, beim langsamen Gehen oder Wandeln, reagiert der Körper mit Ruhe und Gelassenheit. Es ist ein wohliges Dahinschweben zwischen Himmel und Wasser. Man geht über das Haff. Auf der Haffpromenade ist zu erleben, was in alten Zeitungen steht: Schwarzort ist die Perle der Kurischen Nehrung. Der Ort liegt direkt an der Nehrungsstraße, etwa 18-20 Km von Smiltynè / Sandkrug entfernt, dort ist das Schutzgebiet Kurische Nehrung zu Ende. Die Nehrungsstraße zieht sich von Juodkrante bis Smiltynè durch einen Waldlehrpfad mit Denkmälern für im Zweiten Weltkrieg gefallene Soldaten, aber auch für kriegsgefangene Franzosen, die hier nach dem  Krieg von 1870/1871 lebten und bei der Dünenbepflanzung und -befestigung halfen.

Alksnyne / Erlenhorst / Ellernhorst, hier liegt die Kontrollstelle, ist der Schlagbaum für den Kontrollpunkt des gebührenpflichten litauischen Nationalparks „Kurische Nehrung“. Am Haff-Ufer wachsen Erlen, die dem Ort seinen Namen gaben. Das Kurische Haff wird immer enger, das Wasser fließt über das Memler-Tief in die Ostsee, die Haffbreite ist nur wenige hundert Meter (300 m) breit.

Wie eine Trutzburg steht das Kurhaus Smiltyné / Sandkrug auf einer Anhöhe gegenüber der Personenfähre aus Memel. 1897 kam Sandkrug zur Stadt Memel und wurde wenig später zum Kurort. So wäre vieles zu erzählen. 1525 ist das Jahr der Schankgerechtigkeit für den Krug auf der Anhöhe. 1829 saß der jüngere Bruder der beiden Humboldt Brüder, Alexander von Humboldt (1769-1859), wegen der Eisschmelze des Eisganges in der Niederung (Schacktrap), hier mehrere Tage fest. Seit 1961 gehört Smiltynè zum Stadtgebiet von Klaipèda. Der wunderbare weiße, breite Sandstrand auf der Seeseite der Kurischen Nehrung ist das „Stadtbad“ von Klaipèda. Auf Grund der Lage und der vorherrschenden Strömung der See wird zur Süderspitze (dem Ende der Nehrung) hin immer mehr Sand angeschwemmt und abgelagert. Bis Kopgalis (Kopos = Dünen, Galas = Ende) ist die Nehrung von der Danè - Mündung bis zum Dünenende um mehr als 2.0 Km gewachsen. Diese Fläche ist die „Museums-Insel“ mit dem Meeresmuseum, mit dem Aquarium (1979) und dem Delphinarium, das 1994 erbaut wurde. Das aus alten Zeiten stammende Festungswerk, die Memelburg, sollte die gegenüberliegende Stadt vor Feinden schützen. Das in dem Fischerhaus untergebrachte ethnographische Fischermuseum zeigt das Leben der Fischer an der Ostsee Küste, auch mehrere Kutter, die auf große Fahrt in den Atlantik gingen.

Der Hafen von Klaipèda ist sehr gewachsen. Hier enden internationale Fährverbindungen, in neuerer Zeit auch Kreuzfahrtschiffe. So ist es notwendig die enge Mündung der Memel in die Ostsee regelmäßig frei zu halten.

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