Die Kurische Nehrung - Eine Einordnung

geschichte natur reisen Dec 09, 2019

Natur pur! 

Die Kurische Nehrung ist als Kulturlandschaft zu begreifen, die durch radikales Holzfällen während des siebenjährigen Krieges ihren Ursprung fand. Schon immer hat sich die Menschheit in Küstenregionen mit der Veränderung durch Waldrodungen auseinander zu setzen. Die Kurische Nehrung liegt am Südstrand des Baltischen Meeres (Ostsee). Vom heutigen Gdansk aus auf der Landkarte betrachtet fallen einem gleich in nord-östlicher Richtung zwei feine Sandstreifen auf, die sich durch die Ostsee schlängeln und ein Binnengewässer, ein sog. Haff, gebildet haben. In der unmittelbaren Nähe von Gdansk erstreckt sich die „Frische Nehrung“ gen Norden, welche durch die Fluchtbewegung über das Frische Haff gegen Ende des Zweiten Weltkrieges traurige Berühmtheit erlangte. Darüber befindet sich die Kurische Nehrung, welche das Kurische Haff einschließt. Ein Haff unterscheidet sich zu einem herkömmlichen Binnengewässer dadurch, dass es einen unmittelbaren Anschluss an das Meer hat. Bei beiden Nehrungen befindet sich dieser Zu- bzw. Abfluss des Haffs im Norden der Nehrungen, welche durch die Einwirkung der dort lebenden Menschen freigehalten wird. 

 

Der Grund für die Bildung eines solchen Sandzopfes liegt in der Brandung der See, welche durch Wind angetrieben den Sand im Meer aufwirbelt und mit Strömung in Richtung Norden an die Küste wirbelt. Betrachtet man z.B. die Entwicklung der Küste im Nationalpark Vorpommerschen Boddenlanschaft auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst so kann man hier den Ansatz dieser Dynamik gut erkennen. Aufgrund der Strömung und des Windes „bewegt“ sich die Nehrung selbst auch: Bestehend aus einer Kette von Sandhügeln bzw. Dünen wandern die angetragenen Sandmassen vom Wind bewegt, die das Fundament der Nehrung bilden. 

 

Ein menschen-gemachter Landstrich 

Geologisch gesehen ist eine Nehrung nichts ungewöhnliches, dennoch wird besonders die Kurische Nehrung als ein einzigartiges Naturphänomen erachtet, welche sich u.a. auch durch menschlichen Einfluss ergeben hat. Ausgehend von der russischen Oblast Kaliningrad zieht sie sich sie sich bis zum litauischen Klaipėda und umschließt das Kurische Haff. Von der UNESCO wurde die gesamte Kurische im Jahre 2000 sowohl als Weltkultur- als auch -naturerbe aufgenommen wurde. Sie stellt deshalb auch eine Kulturlandschaft dar, da der Mensch maßgeblich für ihr Entstehen aber vor allen Dingen für ihren Erhalt verantwortlich ist. Jedes Jahr müssen mehre Tonnen Sand aus dem Hafen von Klaipėda herausgebaggert werden, um die Fahrrinnen für die Schifffahrt aufrecht zu erhalten. Auf der Nehrung selbst muss durch Aufforstung das sich durch den Wind bewegte Land befestigt werden, da die sich auf der Nehrung befindlichen Dünen die Dörfer der Einheimischen zu verschlucken drohen. Ornithologen beobachten das Verhalten der Zugvögel und sorgen sowohl für deren Bestand als auch für Aufschluss in der Klimaforschung. Neben den Vögeln findet man Wildschweine, Elche und andere Waldtiere. Dreh- und Angelpunkt und damit Ursache für das Ansiedeln von Menschen auf der Nehrung ist der Fischfang im Kurischen Haff. Die ältesten Nachweise menschlicher Existenz auf der Nehrung sind älter als 4000 Jahre, wobei nicht gänzlich geklärt ist, ob die Nehrung ganzjährlich bewohnt wurde. 

 

Schmelztiegel der Kulturen

Da das Haff trotz Verbindung zum Meer süßwasserhaltig ist, konnten sich die ansässigen Fischer eines eigenen Fischbestandes sicher sein und im Verhältnis zur rauen Ostsee ruhigeren Haff auf Fischfang gehen. Siedlungen um das Haff und eben auch auf der Nehrung entstanden. Der Name der Nehrung geht auf den Stamm der Kuren, einem ostbaltischen Volksstamm, zurück, die sich im Gegensatz zu den auf dem Festland befindlichen Stämmen, u.a. den Pruzzen, Schamaiten oder Samen auf der Nehrung niederließen. Schon immer gab es um und auf dem Gebiet der Kurischen Nehrung unterschiedliche Menschengruppen, die sich mit der Natur auseinandersetzen, mit und auch gegen sie arbeiten mussten. Noch heute fordert die Natur, wie eingangs erwähnt, die dortigen Menschen heraus. 

 "Kurenkahn" und "Kurenwimpel" 

 

Durch die Expansion des Deutschen Ritterordens ab dem 15. Jahrhundert verschmolzen nach einiger Zeit die dort ansässigen Volksstämme und somit auch die Kuren mit Eroberern und Einwanderern aus dem Westen. Dabei konnten sich die Kuren im Gegensatz zu den anderen Stämmen ihr Brauchtum und ihre Sprache bis ins 20. Jahrhundert erhalten. Sie galten als wortkarge und bescheidene Fischersleute, die für ihre Ehrlichkeit und ihren Aberglauben bekannt waren. Die Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzende Entdeckung der Kurischen Nehrung als Urlaubs- und Erholungsort sorgte für die heutig endtgültige Namensgebung. 

 

Von damals bis heute

Bevor der Tourismus auf die Nehrung kam, war diese zunächst die kürzeste Verbindungsroute zwischen Russland und Mitteleuropa. Im Jahre 1808 berichtete Wilhelm von Humboldt auf seiner Reise mit der Postkutsche vom ehemaligen Königsberg nach Riga seiner Frau Karoline von der bemerkenswerten Landschaft auf der Nehrung, die man „wie Italien oder Spanien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen sollte“. Allerdings sollte erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein ernst zu nehmender Tourismus auf die Nehrung seinen Anfang nehmen. Viele Künstler, darunter vor allem Maler und Schriftsteller, entdeckten neben herkömmlichen Ostseeurlaubern die Nehrung als Ort der Inspiration. Bekanntester Dauerurlauber und Schaffender war Thomas Mann, der sich auf der Nehrung ein Feriendomizil errichten ließ. Ähnlich wie Humboldt 100 Jahre zuvor schwärmte er in einem Vortrag in München von der Einzigartigkeit der Nehrung und bestärkte die Wahrnehmung der Nehrung im allgemeinen Bewusstsein. Das heutige Nida mauserte sich in dieser Zeit zur Künstlerkolonie Nidden, in welcher sich vor allem Maler und andere Kulturschaffende niederließen. Die Hochzeit der Nehrung endete allerdings so schnell, wie sie begonnen hatte mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Beginn des Kalten Krieges. Nachdem sie im 20. Jahrhundert aufgrund der geopolitischen Lage schwer zu erreichen war, ist sie heute wieder beliebtes Ausflugsziel – sowohl bei Russen als auch Litauern, Polen und Deutschen. Vor allem die deutsche Vergangenheit der Nehrung zog Anfang der 90iger Jahre viele „Heimwehtouristen“ an. 

Durch die Aufteilung des ehemaligen Ostpreußens nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist heute ein Teil der Nehrung Litauen, der andere Russland. Somit ist die einst durchgehend befahrbare Nehrung als Poststraße sowie auch die damals bestehende Schiffsverbindung vom südlichen Teil nach Klaipeda heute durch eine Grenze getrennt. Lediglich mit einem Visum ausgestattet ist es möglich die Nehrung einmal zu durchfahren. Auch die damals bestehende Zugverbindung von Deutschland in das ehemalige Königsberg gibt es heute so nicht mehr. Lediglich mit dem Flugzeug ist eine direkte Verbindung in das heutige Kaliningrad umstandsfrei möglich. Die meisten Touristen begnügen sich mit einer Fahrt in den europäischen Teil der Nehrung. 

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