Von Danzig fuhr der Bus schnell nach Mragowo / ehem. Sensburg, damit wir dort rechtzeitig die Zimmer für die nächsten Tage belegen können. Das eindrucksvolle Land Masuren (Ralph Giordano: Ostpreußen ad., Köln 2004) wurde vom abfließenden Wasser der Gletscher der letzten Eiszeit geformt. Es gehörte früher zu Ostpreußen und wurde als das „Land der tausend dunklen Wälder und kristallklaren Seen“ besungen. Die Ausflüge bei schönem Spätsommerwetter in diese Landschaft waren für den ganzen Körper eine einmalige Beruhigung und Erholung.
Der Traum in der Natur hatte irgendwann ein Ende und es hieß am Morgen beim Frühstück: Heute geht es „auf zu den Russen“, nach Kaliningrad. Die Fahrt führte vom Süden in nördliche Richtung über Bartoszyce / ehem. Bartenstein auf der Hauptverkehrsstraße nach Bagrationovsk / ehem. Preussisch Eylau zum Grenzübergang zwischen der Republik Polen in der Europäischen Union und der Russischen Föderation. Die Landschaft ist lieblich, leicht hügelig. Die Straße führte an Wiesen, Feldern, Gewässern und fernen Wäldern vorbei. Es ging mitten durch eine Hügellandschaft, das ehemalige Ostpreussen. Hier sind viele Orte geschichtsträchtig und nach Ordendsbrüdern und Feldherren benannt. Aus dieser Gegend, Wladimirowo / ehem. Tharau, stammt das berühmte Ännchen von Tharau, das hier 1615 als Pfarrerstochter Anna Neander geboren wurde und die 1633 in Königsberg den Pfarrer Andreas Partatius heiratete.
Die Einreise in die Oblast Kaliningrad war problemlos. Nach kurzer Fahrt hielt der Bus am Pregelufer vor der Dom-Insel. Hier pulsierte das Leben bei schönstem Sommerwetter. Die Stimmung war heiter und fröhlich. Lustige Melodien in Moll klangen den Pregel entlang. Junge Frauen in blütenweißen Hochzeitskleidern feierten mit ihren Männern.
Gemeinsam hängten beide ein Schloss in das Brückengeländer, sperrten ab und warfen den Schlüssel in den Fluss. So soll die Ehe lange, lebenslang halten. Natürlich wird auch feucht-fröhlich gefeiert. Auch wir als Touristen bekommen Krim-Sekt angeboten.
Der Reiseleiter hatte in der Zwischenzeit die Stadtführerin getroffen. Sie kam in den Bus und wollte die gute Stimmung auf uns übertragen. Sie fragte, was wir singen wollen. Es bleibt still. Da begann die russische Deutschlehrerin Gedichte aus der deutschen Klassik vorzutragen. Dieser Augenblick hat sich tief in die Erinnerung, in das Gedächtnis eingegraben und ist nicht vergessen.
Sehr eindrucksvoll ist das Werk, das der Schriftsteller Sem Simkin geschaffen hat. Er hatte sich angeschickt, in das unbekannte Meer der Königsberger Lyrik zu stechen. War doch kaum eines dieser Gedichte je in russischer Sprache erklungen, und schon gar nicht auf dem Boden, auf dem sie entstanden. Diese Gedichtsammlung trägt den Titel „Du mein einzig Licht“. Im ersten Teil des Buches stehen die Gedichte in russischer Sprache. Im zweiten Teil finden sich die Gedichte und Lieder in Deutsch. So hat man einen guten Überblick der Königsberger und ostpreußischen Lyrik und kann damit arbeiten. Zum Gedenken an den Schriftsteller Sem Simkin wurde im Park von Selenogradsk eine Skulptur aufgestellt.
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