Über Schriftsteller und Dichter

Uncategorized Dec 04, 2019

Von Thomas Mann und Co. 

In seinem Roman „Imperium“ lässt der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht die historisch belegte Figur August Engelhardt – einen um 1900 lebenden Aussteiger und Begründer des Kokovorismus – bei seiner Suche nach Freiheit in der Natur auf der Kurischen Nehrung zwischenlanden. Dort begegnet er bei seiner Wanderung über die Nehrung Richtung Süden einem Sommerfrischlerpaar, „[…] er Redakteur des Simplicissimus, leicht ironischer Zug am Munde unterm Schnauzbart, gestikulierend, sie freigeistige, ihm nickend zustimmende Mathematikerstocher in selbst entworfenem Kleide […]“.

 

Ob der historische August Engelhard tatsächlich auf der Nehrung umherwanderte und dort, nachdem der praktizierende Nudist die Nacht am Strand verbrachte, von Thomas Mann und seiner Frau Katja bei der memelschen Polizei angeschwärzt und infolgedessen verhaftet wurde ist nicht gesichert. Allerdings ist es nicht ganz unwahrscheinlich, denn in den Jahren von 1923 bis 1933 war die Kurische Nehrung, insbesondere das Nehrungsdorf Nidda/ehem. Nidden Urlaubsort für den Literaturnobelpreisträger Thomas Mann und seiner Familie. Grund für die Wahl an die Ostsee zu fahren lag in einem Erlebnis im italienischen Torre die Venere. Aus den Erinnerungen Thomas Mann geht hervor, dass sich die dort aufhaltende Urlaubsgesellschaft am Nacktbaden seiner 8-jährigen Tochter störte und Familie Mann sogar das Hotel wechseln musste.  Nachdem im Sommer 1929 entgegen der Gewohnheit nicht Italien als Reiseziel, sondern das ehem. Rauschen/ heute Swetlogorsk gewohnt wurde, machte die Familie nach eindringlichen Empfehlungen auch Ausflüge auf die Nehrung, auf die sie in den darauffolgenden Sommern regelmäßig zurückkommen sollten. 

 

Aus seinem Essay „Mein Sommerhaus“ im Rotary Club München am 1. Dezember 1939 trug er über die Nehrung vor: 

 

„Von der unbeschreiblichen Eigenart und Schönheit dieser Natur, der phantastischen Welt der Wanderdünen, den von Elchen bewohnten Kiefern- und Birkenwäldern zwischen Haff und Ostsee, der wilden Großartigkeit des Strandes waren wir so ergriffen, dass wir beschlossen, an so entlegener Stelle einen festen Wohnsitz zu schaffen.“

 

Die Auswahl des Ortes Nida/ehem. Nidden als Ort der Erholung und des Schaffens kam wohl nicht von ungefähr. Das Dorf entwickelte sich bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Künstlerkolonie. Nach Angaben des Gastwirts Hermann Blode beherbergte dieser ab 1867 regelmäßig vor allem bildende Künstler, die von der Kulisse auf der Nehrung angezogen wurden. So fand auch Mann auf der Nehrung einen Ort der Inspiration und Anregung. Tochter Monika Mann schreibt über ihr Ferienhaus in Nida in ihrem Tagebuch: 

 

„Mein Vater ist an der Ostsee geboren, und es hat ihn immer wieder dorthin oder auch an ein anderes Meer gezogen. Abgesehen davon, dass wohl alle Jugend meerbegeistert ist, sitzt es uns also obendrein im Blut und wir waren alle glücklich da. Das Haus lag mitten im Kieferwald, eine Viertelstunde Wegs vom Strand. Es hatte braune Holzwände, blaue Fensterläden und ein Dach aus Stroh und blickte auf das Binnenmeer, das sogenannte Watt.“

 

In seinem Sommerhaus in Nidden schrieb Mann vor allen Dingen Essays und Erzählungen. Zu erwähnen ist der aus dem missglückten Sommerurlaub in Italien erlebte Stoff für Mario und der Zauberer. Das mediterrane Flair auf der Nehrung ließ es Mann wohl leichter fallen, die Novelle in dieser nördlichen Gegend zu vollenden. 

Die Stimmungen auf der Nehrung waren nicht nur für Thomas Mann sondern für viele Schriftsteller und Dichter eine Anregung. Insgesamt gehört die Kurische Nehrung in Bezug auf die deutsche Literatur natürlich zur Literatur des Landes Preußens, insbesondere Ostpreußens und der Stadt Königsberg. 

( Mann, Thomas: Späte Erzählungen, Fischer Verlag 1981, 187 – 209.,  Mann, Thomas: Rede vor dem Rotary Club München am..)

 

Ostpreußische Literaten

Bis heute bekannt bleibt die Poetik des Dichters Simon Dachs aus Memel/ heute Klaipėda. Im Zentrum der Stadt steht heute eine Brunnenstatue des „Ännchen von Tharaus“ in Anlehnung an das von Dach im 17. Jahrhundert gedichtete Lied.  Auch der Universalgelehrte Johann Christoph Gottsched stammt aus Königsberg/ heute Kaliningrad, der sich zeitlebens als Professor und Schriftsteller um die deutsche Sprache bemühte. Daneben reihen sich Johann Georg Hamann, Theodor Gottlieb von  Hippel und Johann Gottfried Herder als schaffende Persönlichkeiten aus dem 18. Jahrhundert zu Hochzeiten der Albertina-Universität in Königsberg, an welcher Immanuel Kant zur selben Zeit lehrte. 

 

 

Das "Ännchen von Tharau"

 

Auch das spätere 19. Jahrhundert brachte Literaturschaffende aus Ostpreußen hervor. In E.T.A Hoffmanns Erzählung „Das Majorat“ aus seiner zweiteiligen Sammlung „Nachtstücke“ beschreibt Hoffmann den adeligen Einsiedler Freiherr Roderich, der auf der Nehrung ein einsames Leben führte. In Anlehnung an das kleine Schloss des Freiherren steht heute an der gleichen Stelle eine Tankstelle, die im romantischen Stil gestaltet an das Schloss erinnern soll. 

 

Mit der Vergangenheit der Deutschen Ordensritter setzt sich später der Insterburger Schriftsteller Ernst Wichert in seinem Roman „Heinrich von Plauen“ auseinander, der nicht zu verwechseln ist mit seinem Landsmann und Schriftsteller Ernst Wiechert. Auch zu erwähnen ist der Schriftsteller und Bühnenautor Hermann Sudermann, der in Berlin als Dramatiker begehrt wurde. 

 

Als Literaten aus Ostpreußen des 20. Jahrhundert sind die Heimatdichterin Agnes Miegel, Johannes Bobrowski, Siegfried Lenz und Arno Surminski, zu nennen, welche sich auch in ihren Werken mit ihrer Heimat auseinandersetzten.  Besondere Aufmerksamkeit muss an dieser Stelle dem russischen Lyriker Sem Simkin zukommen. In seiner Sammlung „Du mein einzig Licht“ stellte er eine Anthologie von deutschen Gedichten von u.a. auch den obig aufgezählten deutschen Schriftstellern zusammen und übersetzte diese ins Russische. Seine Zusammenstellung dient als ein schöner Überblick und Einstieg in die ostpreußische Lyrik und Literatur. 

 

Die Kurische Nehrung Kulturschaffenden diente aufgrund ihrer Stimmungen und Affekte zahlreichen Künstlern. So steht lediglich Thomas Mann exemplarisch als Nobelpreisträger der Literatur für das geschriebene Wort für Nidden auf der Kurischen Nehrung.  Trotz der zahlreichen Schriftsteller aus Ostpreußen fand die Kurische Nehrung eher in der bildenden Kunst Anklang, was sich mit der Fülle an Bildern und Zeichnungen von und auf der Nehrung belegen lässt. Denn ein großes Echo fand die Kurischen Nehrung in der Malerei, in deren Mittelpunkt die Künstlerkolonie Nidden um das Gasthaus Hermann Blode stand. Für zahlreiche Maler wie Lovis Corinth, Max Pechstein und Ernst Mollenhauer war die Nehrung beliebtes Motiv und Anlaufstelle. 

 

Ob sich Thomas Mann mit den dort malenden Künstlern auseinandergesetzt hat, ist nicht genau bekannt. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass Mann hier seiner strikten Tagesroutine nachgegangen ist und ansonsten den Sommerurlaub mit seiner Familie genossen hat. 

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